Das Ende der langen Messedürre zeichnet sich ab und die Branche sieht ein zartes Licht am Ende des Tunnels flackern. Es geht langsam wieder los mit Messen und Events. Doch die Frage ist, welche Auswirkung die Corona bedingte Zwangspause auf das Medium Messe langfristig haben wird. Klar ist eigentlich nur, dass die Veranstaltungsbranche viele ihrer liebgewonnenen Traditionen und Gewohnheiten ändern muss. Wie auch in anderen Bereichen hat das vielzitierte Brennglas der Krise bewirkt, das sich Messen – zumindest in vielen Teilen - wieder neu erfinden müssen und nicht im alten Trott verharren können.
In den letzten 14 Monaten haben wir gemeinsam mit unseren Partnern wie zum Beispiel dem FVI - Forum Vision Instandhaltung, der MFA (Maintenance and Facility Management Society of Austria) und Bayern Innovativ regelmäßig Umfragen zum Thema Messen durchgeführt und zusätzlich zahlreiche Interviews mit Industrievertretern geführt. Ziel war es zu beobachten, wie Unternehmen mit dem Wegfall eines wichtigen Kommunikations- und Vertriebsinstruments umgehen und welche Ansprüche sie, bedingt durch ihre Erfahrungen, in Zukunft an Messen stellen werden.
Die gute Nachricht ist: Messen wurden vermisst und konnten bei weitem nicht vollständig durch digitale Alternativen ersetzt werden. Persönliche Kontakte und Gespräche, reale Produkterlebnisse und die vielschichtige Informationsvermittlung einer realen Messe lassen sich nicht in der benötigten Intensität im zweidimensionalen Raum digitaler Welten nachbilden, zufällige Begegnungen sind praktisch nicht möglich.
Allerdings haben viele auch positive Erfahrungen mit digitalen Werkzeugen wie Webinaren, Videokonferenzen und digitalen Showrooms gemacht. Ein häufig angeführter Grund bei den Befragungen war die Zeit- und Kosteneffizienz. Besonders die Wissensvermittlung durch Onlinekonferenzen hat gut funktioniert und auch der Vertrieb musste nicht mehr wegen jedem Meeting durch die Lande reisen. Die meisten Unternehmen haben auch gelernt, dass die Firmenwebseite nicht nur ein digitaler Produktkatalog ist, sondern mit visuellen Elementen wie Videos, VR und AR Technologien sowie entsprechenden interaktiven Kommunikationsangeboten wie Chats und Live-Demos sehr gut zur Leadgenerierung und Kundenpflege genutzt werden kann.
Messen ja – aber…
Die meisten befragten Unternehmen werden wieder, sobald es möglich ist, auf Messen vertreten sein, wenn auch vielleicht in einem anderen Umfang. Die Mehrheit der Befragten hat bereits bei der ersten Umfrage im Sommer 2020 und nach deutlicher im Frühjahr 2021 mehr hybride Formate gefordert, die das Beste aus der digitalen und der analogen Welt verbinden. Mehr oder weniger zwangsweise mussten die Firmen zu Beginn der Pandemie auf den digitalen Transformationszug springen. Viele haben schnell gelernt und wollen die gemachten Vorzüge nicht mehr missen. Diese rasante Lernkurve lässt sich sowohl auf Anbieter- als auch auf Kundenseite nicht mehr zurückdrehen.
Wie haben die Veranstalter auf die Situation reagiert? Auch sie mussten sich schnell anpassen und lernen. Nach der Schockstarre der ersten Stornierungswellen im Frühjahr 2020 haben die meisten Messegesellschaften erkannt, dass die Pandemie eine nachhaltige Änderung des Messewesens bewirkt. Die Zeiten der Immobilen Verwalter, die hauptsächlich Quadratmeter vermietet haben, sind damit endgültig vorbei. Also wurden neue Konzepte und Geschäftsmodelle ausprobiert. Dabei wurde schnell erkannt, dass eins zu eins ins Internet gespiegelte virtuelle Messen mit bunten Avataren und animierten Ständen nicht die Lösung sind. Inhalte rückten verstärkt in den Vordergrund und aus vielen Veranstaltungen wurden digitale Konferenzen mit einem teilweise epochalen Vortragsangebot. Aber die benötigte Technik für Studios, Streaming, professionelle Moderation ist aufwändig und kostenintensiv und wirklich Geld lässt sich so auch nicht verdienen. Außerdem ist das Internet ein flüchtiges Medium und nur ganz hartgesottene Experten schaffen es, mehr als eine oder zwei Stunden am Bildschirm einem Vortragsprogramm zu folgen, besonders wenn der Sprecher einen langwierigen Marketingpitch mit seiner Katze im Hintergrund zum Besten gibt. Also wurde versucht, das digitale Networking zu forcieren, was zu teilweise sehr komplexen Plattformen führte, die sowohl Besucher als auch Aussteller überforderten. Oft wurde aber auch deutlich, viele Ansätze sollten nur die Zeit überbrücken, bis wieder „richtige“ Messen stattfinden können.
Zur Ehrenrettung aller Akteure muss man natürlich festhalten: bisher gibt es noch wenig Erfahrungen mit wirklich hybriden Messen, weil einfach nur wenige stattgefunden haben. Aber die Entwicklung wird sich rasant fortsetzen! Und dann zeigt sich, wer wirklich etwas gelernt hat und kreativ distributiv mit der Situation umgeht.
Bereits vor der Pandemie konnte man absehen, das feudale Großveranstaltungen mit hunderttausenden Besuchern und tausenden Ausstellern ihre besten Zeiten hinter sich hatten. Schon die kurze Messephase im Spätsommer 2020 hat gezeigt, alle Beteiligten haben sehr genau abgewogen, ob ein Messebesuch Sinn macht. Selbst Publikumsevents wie der Caravan Salon in Düsseldorf hatten deutlich weniger Besucher. Was aber bei näherem Hinsehen kein Nachteil sein muss. Ich war dort und erlebte eine entspannte und informative Messe wie selten zuvor. Keine Menschenmassen in den Gängen, alle Produkte waren zugänglich, die Aussteller offen und gesprächsbereit. Und das war effektiver als früher, stellten auch die meisten Aussteller fest. Weniger Werbegeschenke, dafür hochklassige Kontakte (Ist das die neue Währung?). Denn wer kam, hatte auch einen konkreten Grund dafür.
Zurück zu den Wurzeln?
In welche Richtung werden sich Veranstaltungen also zukünftig entwickeln? Vielleicht wieder ein Stück in die Richtung wie alles begann. Messen haben sich aus dem Marktplatz heraus entwickelt, wo sich Käufer und Verkäufer trafen, Waren angeboten und dabei Wissen und Informationen austauschten. Durch die Digitalisierung ist der Kunde jetzt anspruchsvoller und besser vorbereitet. Mit Kunde meine ich den Besucher, der von Ausstellern und Veranstaltern heute mehr erwartet und besser betreut werden will. Und zwar ganzjährig, nicht „nur“ anlässlich eines singulären Events. Das bedeutet, dem Kunden muss eine maßgeschneiderte Customer Journey geboten werden, die SEINEN Ansprüchen entspricht.
Digitale Messeplattformen sind also keine Onlinekataloge mehr, um ein Event anzuteasern. Sie werden zu Community-Plattformen, die das individuelle Informationsbedürfnis befriedigen, aber auch den Austausch unter Gleichgesinnten fördern. Der Erstkontakt zum potenziellen Kunden und die Grundversorgung mit Information erfolgt digital und wird schrittweise verdichtet bis hin zum persönlichen Kontakt auf der Veranstaltung. Digitale und analoge Plattformen ergänzen sich im Sinne des Kunden und bieten so den gewünschten Mehrwert: die Problemlösung! Messen der Zukunft sind also gut abgestimmte Multi Channel Instrumente, die dem Kunden das bieten, was er aktuell braucht. Auf verschiedenen Ebenen, zu jeder Zeit und an diversen Orten.
Eigentlich nichts Neues, könnte man denken. Aber bisher wurde eben immer nur der eine oder der andere Teil hervorgehoben. Durch die sinnvolle Kombination digitaler und analoger Kanäle ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten die Kontaktpunkte zu erhöhen, um neue Kunden zu erreichen, bestehende Geschäftsbeziehungen zu vertiefen und Netzwerke zu erweitern, um langfristig Geschäfte zu machen – was ja eigentlich einmal der Sinn einer Messe/eines Marktplatzes war! Und das alles auch noch messbar und bewertbar, wenn man die gewonnenen Daten entsprechend nutzt.
Viel hilft nicht immer viel
Gerade Technologiejünger neigen allerdings dazu, solche Ansätze zu komplex zu gestalten. So werden Aussteller und Besucher schnell überfordert und abgeschreckt. Spätestens wenn ein Unternehmen zig verschiedenen Online-Messeprofile eingeben und pflegen muss, kommt es schnell zur Frustration und anschließend zur Resignation, weil die Ergebnisse meistens hinter den Erwartungen zurückbleiben. Aus Besuchern werden Teilnehmer, die bei ihrer persönlichen Customer Journey gut und unkompliziert unterstützt und begleitet werden müssen, weil sie sonst bei ihrer Suche nach Informationen ganz schnell wieder bei Google landen. Entsprechende Konzepte sollten also eine unkomplizierte Mehrfachnutzung von Daten ohne unnötige Medienbrüche beinhalten.
Auf die Messeveranstalter kommen deshalb künftig neue Tätigkeitsfelder und damit übrigens auch neue Ertragsfelder zu. Sie werden zum Berater und Betreuer ihres Kunden und verkaufen nicht mehr nur einen Stromanschluss oder Katalogeintrag zusätzlich zur Standfläche. Sie werden zum Partner, der den Kunden in allen Bereichen begleitet und durch die verschiedenen Produktlösungen führt. Und vielleicht zahlt der Aussteller irgendwann sogar nicht mehr für den Quadratmeter, sondern für den potenziellen Kaufkontakt.
Effiziente Veranstaltungsformate
Letztendlich werden Messen weiter ein wichtiges Marketing und Vertriebsinstrument bleiben. Und wir werden auch das Rad nicht gänzlich neu erfinden. Vieles was jetzt auf den Tisch kommt, ist schon seit Jahren mehr oder weniger im Einsatz. Sei es die Onlinevorbereitung, die digitale Teilnehmerregistrierung oder die ganzjährige Besucherpflege. Aber die Karten werden jetzt neu gemischt. Die Kosten-Nutzen-Rechnung einer Veranstaltungsteilnahme wird anders bewertet und muss messbar sein. Interkontinentale Reisen zu Messen und Kongressen werden überdacht. Internationale Leitmessen finden nicht mehr alle vier Jahre mit großem Aufwand an einem Ort statt, sondern häufiger und global verteilt an mehreren Standorten. Der Trend zu kleinen, aber feinen Fachmessen auf (Euro)regionaler Ebene wird sich deshalb weiter verstärken.
Und auch die Partnerschaftsmodelle der Veranstalter mit Verbänden, Netzwerken und Medien werden sich ändern müssen. Denn ein Player allein wird den gehobenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden können. Durch den Wegfall etablierter Trennlinien zwischen den Beteiligten sind hier neue Geschäftsmodelle gefragt. Wenn jeder von den jeweiligen Kernkompetenzen des anderen profitiert, gewinnen alle und ein sonst zerstörerischer Kannibalisierungseffekt wird vermieden.
Die nächsten Monate werden zeigen, welche Veranstalter ihren Werkzeugkasten am besten sortiert und ergänzt haben. Es bleibt also spannend!